Worauf verzichtest du immer und immer wieder?

Ich sitze an einem reich gedeckten Tisch. Alles, was ich mag, steht unmittelbar vor mir, nur einen Handgriff weit entfernt. Ich will zugreifen, und es geht nicht. Meine Hand reicht gerade man bis zur Tischkante. Ich sehe an mir runter und entdecke Fesseln um meine Fussgelenke und einen breiten Bauchgurt. Beides hält mich an Ort und Stelle auf meinem Stuhl. Meine Hände sind frei. Ich könnte mich loslösen und tue es nicht.

Warum?

Dieses Bild kam in einer Meditation hoch und mit ihm viele viele Erlebnisse des Verzichts. Nur hätte ich früher gar nicht sagen können, dass das, was ich da tue, Verzicht ist.

Leben ist Fülle, und zu einem guten Leben gehört die Fähigkeit zu wählen aus dem Überangebot an Möglichkeiten. Überleben ist Mangel und Fähigkeit des Verzichts. Wenn es nie reicht, dann ist die einzige Möglichkeit sich selber zu beweisen, dass man überhaupt handlungsfähig ist und man selbst eine Stimme hat, der Verzicht.

Ich selbst war hoffnungslos unterentwickelt, wenn es darum ging, eine Wahl zu treffen. Aus einem emotionalen Mangelfeld kommend, ist es mir superschwer gefallen, eine Balance zu finden. Du möchtest am liebsten das Gute anhäufen, weil du nicht weisst, wann es das nächste Mal vorbeikommt. Gleichzeitig bist du extrem misstrauisch und fragst dich ständig, ob du das auch haben darfst. Und mit mehr als einer Hirnzelle überlegst du, all das Gute zurückzuschicken, weil es dich überfordert.

Ich hab in meinem Leben den Verzicht regelrecht zur Kunstform gemacht. Mir ist nicht bewusst gewesen, das ich das tue.Es hat sich halt so vertraut angefühlt, Familie eben. Das, was es emotional nicht gab, hab ich mir dazu geträumt, ja in der Illusion mein Leben eingerichtet. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, das alles real im echten Leben einzufordern. Dafür war ich gar nicht ausgestattet. Das war verboten. Unausgesprochen hat sich jeder daran gehalten und still vor sich hin gelitten. Der Umgang mit Gefühlen hat mir Angst gemacht, weil ich es einfach nicht gelernt habe.

Heute weiss ich, dass ich damit nicht alleine war und dass das nichts ist, was sich nicht ändern liesse.

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